Oktay Süzeroğlu ist Unternehmensberater und Gründer der OSP Strategy Consultants mit Sitz in München.

Steve Jobs brachte es auf den Punkt: “Get closer than ever to your customers. So close that you tell them what they need well before they realize it themselves“.

Entlang der Supply Chain hat vor allem die Sales-Seite (Marketing und Vertrieb) das enorme Potenzial von Datenanalysen erkannt und ihre Fähigkeiten, relevante Daten zu generieren, diese auszuwerten und als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen offensiv und systematisch entwickelt. Unternehmen wie Siemens haben im Jahr 2000 Sales-Site Marketplaces für Ihre Industriekunden eingeführt, um nicht nur Prozesskosten beim klassischen Vertrieb einzusparen, sondern insbesondere auch Daten über ihre „Customer Interfaces“ zu generieren und im Rahmen von Vertriebsinitiativen wie „One-Siemens“ den Entscheidern bereichsübergreifend bereitzustellen.

Nur wenige Entscheider kennen den Begriff „Data Mining“

Auch die Einkaufsseite hat in den vergangenen Jahren einen Wandel vollzogen und ihr Material- und Lieferantenmanagement professionalisiert sowie ihre Verhandlungskompetenzen gestärkt. Was die Nutzung von Daten zur Modernisierung von Verhandlungsvorbereitung und -durchführung angeht, steht der Einkauf jedoch hinter seinen Möglichkeiten. So verwundert es auch nicht, dass nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts ca. 70 % der Entscheider z.B. mit dem Begriff „Data Mining“ nichts oder nur wenig anfangen können.

Ein Großteil der Entscheidungsträger im Einkauf im Alter von über 55 Jahren sieht – berechtigterweise – die Fähigkeit zu herausragenden Verhandlungen als eine Kunst an. Und diese Gruppe hat auch eine klare Präferenz was Verhandlungen angeht: 62 % bevorzugen persönliche Verhandlungen mit klassischen Ansätzen der Vorbereitung und Durchführung.

Dieser Entwicklungsstand erfährt dann jedoch eine besondere Brisanz, wenn man berücksichtigt, dass laut einer Studie von Barclaycard Payments (unter 500 Entscheidungsträgern) 2/3 der Befragten davon überzeugt sind, dass auch der Themenkomplex Lieferantenverhandlungen in den kommenden fünf Jahren von der Digitalisierung erfasst wird.

Insbesondere die neue Generation von Einkäufern ist digital- und daten-affin. Doppelt so viele 18- bis 34-Jährige nutzen bereits heute Lieferantenmanagement-Portale zur Unterstützung von Verhandlungen als die älteren Kollegen. Nur ca. 1/3 der bis Mitte 30-jährigen bevorzugt noch persönliche Verhandlungen.

Unternehmen, welche spät reagieren, gehen Risiken ein

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass auch der Einkauf in den kommenden Jahren von einer Modernisierungswelle erfasst wird. Nichts Geringeres als das smarte Zusammenführen von Informationen zur Modellierung von Verhandlungskonzepten und -strategien wird dabei der Anspruch und die Erwartung der nachrückenden Generationen von Einkäufern sein. Wer sein Unternehmen darauf nicht vorbereitet, läuft Gefahr, sich insbesondere folgenden drei Risiken auszusetzen:

Fehlende Talente

Die junge Generation gut ausgebildeter Nachwuchskräfte im Einkauf benötigt ein attraktives Betätigungsfeld. Dieser Management-Nachwuchs lässt sich nicht mit Strukturen und Prozessen rekrutieren, welche aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß sind. D.h., das Risiko, daran zu scheitern, hervorragende Nachwuchskräfte im Einkauf in das Unternehmen zu holen und an das Unternehmen zu binden, ist so groß wie noch nie.

Steigende Wettbewerbsnachteile

Wenn der Wettbewerb seinen Ansatz anpasst und auf Grundlage generierter Daten erfolgreichere Verhandlungen führt, stellt dies konkret einen Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen dar, welche selbiges Potenzial nicht nutzen. Die in den kommenden Jahren entstehende Lücke zu schließen wäre dann nur noch mit einem ressourcenintensiven Kraftakt möglich.

Sinkende Verhandlungsfähigkeiten

Aber auch lieferantenseitige Risiken drohen dem Einkauf: wenn Verkaufsteams auf Lieferantenseite Oberhand gewinnen, z.B. indem Sie über bessere Daten und Einblicke verfügen als der Einkauf selbst, dann kann der klassische Einkauf schnell an seine Grenzen stoßen. Denn bereits heute sagt jeder zweite Entscheidungsträger nach der o.g.  Studie von Barclaycard, dass er nicht effektiv verhandeln kann. Als Hauptursache wird der fehlende Zugriff auf genügend Daten genannt. 78 % der Entscheidungsträger im Einkauf sind aber davon überzeugt, dass Datenanalysen in Lieferantengesprächen immer wichtiger werden und der Zugriff auf Daten und Erkenntnisse während der Verhandlung das Ergebnis erheblich verbessern kann. Und dieser Trend wird sich wahrscheinlich fortsetzten: 66 % glauben sogar, dass die Datenanalyse die Fähigkeiten der Mitarbeiter bei künftigen Lieferantenverhandlungen übertreffen wird.